Ein junger Spanier kommt in eine Patchwork-Familie mit fünf Mädchen. Was sagt er nach drei Wochen zur Begrüßung beim Frühstück? „Entschuldigung für die Verspätung. Ich hatte Probleme bei der Shampoo-Entscheidung.“
Als Witz ist es kein Brüller, ich gebe es zu. Aber als Ivan diesen Satz sagte, habe ich sehr gelacht. Hier wurde deutlich, welchen Herausforderungen ein Mensch sich stellen muss, wenn er als Austauschschüler in eine fremde Familie kommt. Neben den kulturellen Unterschieden war es in unserem Fall auch die die familiäre Situation, die sich deutlich von der unseres Gastes unterschied: Während bei uns mindestens fünf und manchmal sieben Personen am Tisch saßen, kommt Ivan aus einem Dreipersonenhaushalt. Und bei fünf Mädchen ist die Komplexität an Kosmetikartikeln, darunter das eben genannte Shampoo, kaum zu übertreffen. Kein Wunder also, dass Ivan manchmal morgens zu spät zum Frühstück kam. Die Spanier frühstücken eigentlich gar nicht. Sie trinken einen Kakao, mehr nicht. Während seine Mitschüler noch Ferien hatten, musste Ivan schon morgens um kurz nach sieben aufstehen. Meistens schaffte er dann sogar noch ein Brot, aber der frühe Morgen war nicht seine Zeit.
Sprachbarrieren hatte Ivan nicht zu überwinden. Er sprach manchmal besser deutsch als wir und musste sich dafür dann noch auslachen lassen, zum Beispiel nach Sätzen wie „ich vergaß mein Heft.“ Dann erklärten wir ihm, dass kein Deutscher sich so gewählt ausdrücken würde.
„Ich probiere gerne neue Teller.“ hatte Ivan geschrieben, als ich mich nach seinen Vorlieben erkundigte, bevor er zu uns kam. Linseneintopf und Omas Sauerbraten fanden bei ihm ebenso Anklang wie Kassler mit Sauerkraut. Er hat wirklich alles gegessen, was bei uns auf den Teller kam. Das Wort “pikant“ bekam durch Ivan für uns eine neue Dimension. Als er den Gewürzstreuer mit Chili entdeckt hatte, kam dieser bei jeder Mahlzeit zum Einsatz. Von da an kaufte ich alles, wo eine Chilischote drauf abgebildet war. Seit Ivan weg ist, verwenden wir eindeutig mehr Chili.